Die drei wichtigsten Säulen der craniosacralen Arbeit

1. Der craniosacrale Puls

Der craniosacrale Puls ist ähnlich zu verstehen wie der Herzschlag oder der Atemrythmus und kann überall am Körper wahrgenommen werden. Er besteht aus einer druckaufbauenden Phase, die zu einer Weitung des Kopfes und des Körpers führt (die Füße kippen leicht nach außen) und einer druckabbauenden Phase, in der das Cranium und der Körper zusammengezogen werden (die Füße kippen nach innen).

Das Gehirn schwimmt in cerebrospinaler Flüssigkeit, die für die Stoßabfederung und als Transportmittel fungiert. Diese Flüssigkeit wird mehrheitlich in den beiden seitlichen Ventrikeln erzeugt. Diese Flüssigkeit pulsiert durch den Kopf, die Wirbelsäule entlang bis zum Sacrum und wieder zurück.

Man ist an eine große Meereswelle erinnert und tatsächlich taucht vor dem geistigen Auge sowohl der Therapeutin, als auch des Liegenden oft das Bild einer Welle auf. Je nach körperlichem, geistigem und seelischem Zustand des Empfangenden kann diese Welle größer oder kleiner sein. Z.B. kann die Welle bei Fieber, unter Einfluss von Amphetaminen, bei großer Medikamenten Einnahme oder großer psychischer Belastung hyperaktiv sein. Bei starken Kaffeetrinkern oder Rauchern ist sie beschleunigt, bei Depression ist sie ganz klein und fast nicht wahrnehmbar und während einer Meditation oder während des Tiefschlafes verlangsamt und mit dem ruhigen Atem synchronisiert.

Der craniosacrale Puls wird alle paar Minuten ruhig – ein Stillpunkt tritt ein. Stehen wir unter Stress treten diese Stillpunkte selten oder gar nicht auf.

Ist ein Stillpunkt eingetreten hat der Körper und der Geist Zeit zur Neuorientierung.

In diesen Momenten werden die größten Selbstheilungskräfte aktiviert. Daher ist ein Ziel der Craniosacraltherapie das Initiieren von Stillpunkten, in denen der Empfangende bestmöglich zu sich selbst findet und tiefe Gelöstheit und Integration innerhalb des Systems von Knochen, Muskeln, Sehnen, Bändern, Faszien usw. stattfinden kann.

Stillpunkte sind oft von einem tiefen Seufzer begleitet und signalisieren die Bereitschaft des Geistes und des Körpers wieder in tiefe Verbindung mit der Seele zu treten.

2. Die Dreidimensionalität des Körpers

In klassischen Massagetechniken wird bei Rückenbeschwerden der Rücken massiert und bei Schulterbeschwerden die Schulter usw. Ich musste mir das Verständnis von der Dreidimensionalität des Körpers sehr hart erarbeiten, da mein logisch – mathematischer Verstand nur schwer zu bewegen ist zu arbeiten. Aber jetzt hab ich es: ich kann jetzt nicht nur die Schulter sehen, sondern den ganzen Schultergürtel, zu dem auch die Vorderseite des Körpers, mit ihren Schlüsselbeinen und dem Sternum gehört. Ebenso ist es mit dem Beckengürtel. Ein logisch veranlagter Mensch wird jetzt sagen: „Na eh klar“, aber bei mir hat das eine Zeitlang gedauert, bis ich begriffen habe, dass der Körper „rundherum“ geht, dass alle Organe nicht irgendwo herumliegen, sondern an Bändern ordentlich verankert sind usw. Diese Gürtel sind von Bindegewebe ausgekleidet und stützen somit den Körper in seiner Querstruktur. Die einzelnen Querfelle sind im Anhang gezeigt.

Craniosacraltherapie ist eine äußerst sanfte, aber sehr tiefgreifende körperorientierte Behandlungsform. Der Zusehende sieht oft nur, dass die Therapeutin ihre Hände auflegt und scheinbar nichts anderes tut. In der Craniosacraltherapie arbeiten wir mit sehr geringem Druck und sehr kleinen Bewegungen. Wir versuchen die Bewegungsmuster zum Beispiel der Schädelknochen zu ertasten und folgen dann dieser zarten Bewegung, erspüren ihre Bedürfnisse und initiieren durch ganz sanften Druck, der eher eine Einladung an das Gewebe ist, sich aus ihrem Läsionsmuster zu befreien. Um diese Arbeit ausführen zu können muss sich die Therapeutin in drei Dingen üben: genaue anatomische Kenntnisse, Vertrauen in ihr Gespür und in ihre Intuition und vor allem in Geduld, in sehr viel Geduld. Versucht man Schädelknochen ungeduldig herumschubsen zu wollen oder drängt sie durch zu starken Druck zu viel, beginnt sich der ganze Körper des Empfangenden zu wehren. Zum Beispiel indem starke Schmerzen in einem beliebigen Körperteil auftreten oder eine große Unruhe auftritt, es muss sich gekratzt oder es muss gehustet werden, etc.

3. Unwindingprozesse

Jeder Knochen, jeder Muskel, jedes Organ ist von Bindegewebe umhüllt – genannt Faszie. Dieses Fasziengewebe hat die Aufgabe zu umhüllen, zu unterteilen, zu schützen, zu verbinden, weiterzuleiten, etc. Die Faszien ziehen ein Netz über und durch den ganzen Körper und so geschieht das, was oft wie ein Wunder aussieht, aber über diesen Weg erklärt werden kann: Wenn ich an einem Bein ziehe, wirkt sich das bis in den Kopf aus. Ist ein Körperteil z.B. durch einen Sturz verletzt, verletzt sich letztendlich der ganze Körper, denn die Komprimierung der Faszie in diesem bestimmten Bereich wird an alle anderen Faszien weitergeleitet. So ergibt sich, dass ein Sechzehnjähriger beim Eislaufen auf das Steißbein stürzt und mit sechsundzwanzig massive Halswirbelsäulenprobleme bekommt. Kein Mensch bringt diese Schmerzen in der Halswirbelsäule mit dem Sturz vor 10 Jahren in Verbindung. Doch der Körper hat dieses Ereignis abgespeichert und es ist möglich es aus den Zellen wieder abzurufen. Ein häufiges Traumatisieren passiert bei Zahnbehandlungen, vor allem wenn ein Zahn gezogen werden muss. Durch die Kraft die der Zahnarzt einsetzen muss und durch die Wunde bis tief ins Kiefer hinein, können die an das Kiefer angrenzenden Knochen verschoben werden. Durch die Faszien leitet sich diese Verschiebung weiter und weiter, der Körper kann nicht mehr ausgleichen und entwickelt Symptome, wie zum Beispiel chronischen Kopfschmerz.

Mit Faszien zu arbeiten ist so ähnlich wie eine Gitarre zu stimmen, eine Saite nach der anderen wird angeschlagen und justiert und ähnlich wie bei der Gitarre ist es auch möglich, dass die Saiten durch verschiedene Einflüsse sich wieder verstimmen.

Es gibt wie überall natürlich verschiedene Techniken mit Faszien zu arbeiten. Und wie immer gilt als oberstes Prinzip: welche Technik ist die, die dieser Körper, dieser Körperteil gerade braucht. Ich mache meine Hände so weich und feinfühlig wie möglich und lasse sie mit dem Bindegewebe verschmelzen. Dann spüre ich die fließende Bewegung und folge ihr, ergründe ihr Muster. Ich baue eine leichte Spannung auf. Das ist ein Gefühl wie wenn ich an beiden Enden einer Nylonstrumpfhose ziehen würde, nachgiebig aber doch stark.

In der Cranio – Sacraltherapie, wo ja doch häufig am Kopf gearbeitet wird sind diese Bewegungsmuster natürlich klein, in der Wirbelsäule können sie groß, bis ganz groß werden, so dass sich der ganze Körper mitbewegt, dreht, in seine Spannungsmuster geht, aus ihnen herausfindet usw. Dieser Unwindingprozess kann, wenn es einem möglich ist sich darauf einzulassen sehr entspannend sein wie die folgenden Bilder zeigen.

An dieser Stelle möchte ich meinen beiden Töchtern Greta und Stefanie danken, die sich als „Modell“ zur Verfügung gestellt haben und meinem Sohn Bernd besten Dank für das „gute Auge“ und das Einfühlungsvermögen, die er beim Fotografieren bewies.

Große Unwindingprozesse, die den ganzen Körper mit einbeziehen sollen, können gut von zwei Personen gemeinsam ausgeführt werden. Während die eine Therapeutin darauf achtet, dass der Spannungszug aufrecht erhalten bleibt, kann sich die andere gut auf die Bewegungsmuster des Körpers konzentrieren.

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